Die Drei-Akte-Struktur

Mir ist letztens ein Buch übers Drehbuchschreiben in die Hände gefallen. Dort wird behauptet, dass alle Filme nach ein und demselben Schema aufgebaut sind. Ob das nun stimmt oder nicht sei dahingestellt, das Schema ist folgendes:

1. Akt: Charaktere, Grundproblem und sonstige wichtige Dinge werden vorgestellt. Am Ende von Akt 1 gibt es einen Wendepunkt, eine unerwartete Entdeckung oder sonstirgendwas, das die Story in eine andere Richtung lenkt.
2. Akt: Konflikte, Action und Hindernisse, die überwunden werden müssen. Am Ende von Akt 2 gibt es einen weiteren Wendepunkt (oder etwas in der Art), der zu Auflösung der Story führt. Bevorzugterweise geht es den Charakteren richtig dreckig, bevor sie besagten Wendepunkt erreichen.
3. Akt: Auflösung, Showdown und was sonst noch übrig bleibt.

Wenn man sich Hollywoodfilme so anschaut, dann kann man wohl davon ausgehen, dass zumindest ein großer Teil von ihnen tatsächlich dieses Schema verwendet. Aber auch Autoren von Büchern schreiben nach dieser Struktur, wie ich inzwischen herausgefunden habe. Z.B. Brandon Sanderson.
Ergebnis: Seine Bücher sind alle gleich.
Ich hatte von ihm Elantris gelesen und war begeistert. Geniales Magiesystem, interessantes Charaktere, coole Grundidee. Also habe ich als nächstes begonnen, mir seine Mistborn-Trilogie zu kaufen. Wieder ein geniales Magiesystem, eine super Grundidee, interessante Charaktere (und durchaus auch andere Charaktere als in Elantris). Das sind auf keinen Fall schlechte Bücher.
Nur: Schon in Elantris war es so, dass die Charaktere in besagtem 2. Akt (von dem ich damals noch nicht wusste, dass es der zweite Akt ist) alle möglichen Versuche unternommen haben, ihre Probleme zu lösen, aber nichts hat dauerhaft funktioniert. Es ging ihnen schlechter und schlechter, die Situation wurde immer aussichtsloser, bis sie vollkommen aussichtslos erschien. Und dann: Wendepunkt! Ein plötzlicher Geistesblitz, alles war gerettet und der Showdown konnte beginnen.
Der zweite Teil der Mistborn-Trilogie macht genau dasselbe, auch wenn am Ende noch nicht ganz alles gerettet ist, immerhin kommt ja noch ein ganzes Buch. Es wird also einfach die Drei-Akte-Struktur auf eine Trilogie ausgedehnt, und jedes Buch ist ein Akt. Nachdem ich Mistborn 2 durchgelesen hatte, war ich daher nicht mehr allzu begeistert.

Die Bücher sind immer noch super, aber wenn ich genau weiß, an welche Storystruktur sich der Autor in jedem seiner Romane sklavisch halten wird, dann macht das Lesen irgendwie deutlich weniger Spaß.

Ich verstehe ja, dass es solche Strukturen gibt, weil sie funktionieren, und sie sind sicher ziemlich nützlich. Ich weiß auch, dass man, um eine interessante Story zu haben, ein paar Wendungen in seine Handlung einbauen muss und nicht immer alles so funktionieren darf, wie die Charaktere sich das vorstellen. Sicher gibt es auch nicht so viele Möglichkeiten, eine Story aufzubauen, ohne dass man in total abstrakte experimentelle Gebiete kommt, die kein Mensch lesen will. Aber dennoch kann man doch bestimmt irgendwie ein paar Variationen einbauen, so dass nicht sofort auffällt, dass man im Grunde immer dasselbe macht.

9 Gedanken zu „Die Drei-Akte-Struktur

  1. Naja, die „Drei-Akt-Struktur“ ebenso wie die „Campbellsche bzw. Voglersche Heldenreise“ sind ja beide schon sehr allgemein gehalten, sodass man sie prima weiten Teilen der erzählenden Texte überstülpen kann (wenn man Pi mal Daumen vorgeht und es kräftig darauf anlegt).

    Relativ schnell kommt man aber in Schwierigkeiten, sobald auch nur ein Nebenstrang hinzu kommt – denn der passt meist gar nicht gut in solche Strukturen hinein. Also lassen die meisten „Strukturalisten“ besagte Stränge einfach weg (was grob geschummelt ist, sage ich).

    Thomas und ich planen zwar sehr strikt und detailliert, aber eben nicht nach Drei-Akt-Struktur oder gar Heldenreise, sondern nach Bauchgefühl. Das ist ähnlich zuverlässig wie ein krampfhaftes Klammern an angeblichen Urstrukturen. Selbige (insbesondere die beiden obengenannten) zu kennen, kann aber nicht schaden.

    Beste Grüße, Ole

  2. Charlie Kaufman schreibt geniale Drehbücher, ohne irgendwie an die „Spielregeln“ zu denken. 🙂

    Ich sag mal, sie sind Handwerkszeug, das man kennen muss, um bestimmte Fehler zu vermeiden – aber kein Kochrezept fürs Erzählen und Schreiben.

    Entsprechend zieh ich sie eher beim Überarbeiten hinzu. Wenn man ein Skript neu entwickelt, kann man sich mal nach der Eingebung richten und danach kontrollieren: Wie lange dauert es bis, die Geschichte ihren Anstoss bekommt? Ist der Schluss zu kurz? Hat diese Figur einen vollständigen Bogen oder muss noch was passieren?

    So in die Richtung.

    • Mach ich tatsächlich andersrum.
      Ich nehme mir derartige Strukturen ganz am Anfang, um ein paar Pfähle ins weiße Schneetreiben des leeren Blattes zu rammen, die als Orientierung dienen können (Also Anfang, Schluss, zwei, drei Wendepunkte und Wegmarken).

      Danach schreib ich drauf los.

  3. Dass Brandon Sandersons Bücher alle gleich sind, liegt nicht nur an der 3-Akt-Methode. Es liegt eher an seiner Reuse-Reduce-Recycle-Philosophie. Die drei R’s sind super wenns um Müll geht, aber bei Romanen… Da dreht sich der Spieß um: Statt Müll zu Romanen zu recyceln, recycelt er Romane zu Müll…

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